1. Rechtliche Rahmenbedingungen:
Durch mehrere COVID-19 Gesetzespakete wurden weitreichende legistische Maßnahmen gesetzt, um den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona Pandemie entgegenzusteuern und die negativen Folgen für Unternehmen und Privatpersonen abzumildern. Generell lag der Zweck dieser Regelungen in der Erhaltung der Zahlungsfähigkeit von Unternehmen und Privatpersonen; ein breites Instrumentarium zur finanziellen Unterstützung diente diesem Ziel (KMU-Fördergesetz, Härtefallfondsgesetz, Corona-Kurzarbeit etc).
Die meisten Regelungen sind inzwischen ohne weitere Verlängerung ausgelaufen. Neben kleineren Daueränderungen der Insolvenzordnung (§§ 69,78 und 80 IO) enthielten das 1. und 2. COVID-19-JuBG großteils nur befristete Sonderregelungen (BGBl Ⅰ16/2020 und Ⅰ 24/2020 idgF).
Durch das Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtline-Umsetzungsgesetz (RIRUG) wurde ein völlig neues Restrukturierungsverfahren geschaffen und weitere Änderungen der IO vorgenommen. (BGBl Ⅰ 147/2021)
2. Vorfeld eines Insolvenzverfahrens:
§ 69 Abs 2a IO, der die Frist zur Stellung eines Insolvenzantrages durch den Schuldner von einer 60 Tagesfrist auf eine 120 Tagesfrist erweitert, gilt nicht nur bei einer Naturkatastrophe, sondern seit 22.03.2020 auch für den Fall einer Epidemie oder Pandemie. Grundsätzlich bleibt ein Schuldner unverändert verpflichtet, bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ohne schuldhaftes Verzögern die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen; lediglich die Maximalfrist für die Prüfung, ob ein Insolvenzverfahren zu beantragen ist, und für die Vorbereitung eines Insolvenzverfahrens wird auf 120 Tage erweitert. Diese Regelung ist nach wie vor anzuwenden.
Eine wesentliche Änderung betraf die befristete, seit 30.06.2021 jedoch nicht mehr geltende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung. Soweit einen Schuldner die Verpflichtung traf, bereits bei Überschuldung ein Insolvenzverfahren zu beantragen, war diese Verpflichtung für einen weiterhin zahlungsfähigen Schuldner bei einer vom 01.03.2020 bis 30.06.2021 eingetretenen Überschuldung ausgesetzt. Lag eine Überschuldung (noch) am 01.07.2021 vor, war vom Schuldner ein Insolvenzverfahren jedoch unverzüglich zu beantragen. Insoweit eine Insolvenzantragspflicht nicht vorlag, war auch eine Haftung der Organe des Schuldners wegen der Verletzung des § 69 Abs 2 IO als Schutzgesetz ausgeschlossen.
Im gleichen Zeitraum, also bis 30.06.2021, war ein Insolvenzverfahren aufgrund eines Gläubigerantrags nicht zu eröffnen, sofern nur Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit bestand.
Um Insolvenzanträge der Sozialversicherungsträger und des Finanzamtes zurückzudrängen, wurden Finanzamtszahlungen und Sozialversicherungsbeitragszahlungen anfechtungsfest gestellt (§ 323e Abs 2 Z 5 BAO und § 733 Abs 11 ASVG), soweit diese in den Stundungs- oder Zahlungszeitraum eines COVID-19 bedingten Rückstandes fallen. Anfechtungsfest werden nicht nur die Ratenzahlungen, sondern auch laufende Zahlungen gestellt, die in einem Stundungs- bzw Ratenzahlungszeitraum iSd § 323 e Abs 2 Z 5 BAO oder § 733 ASVG jeweils bis 30.06.2022 geleistet werden. Dies führte dazu, dass das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger bei der Stellung von Insolvenzanträgen zurückhaltend geworden sind.
3. Liquiditätsstärkung:
Bis 30.06.2021 gewährte Überbrückungskredite in Höhe der gem § 37b AMSG beantragten Kurzarbeitshilfe sind nach § 31 IO unanfechtbar gestellt, wenn der Kredit nicht besichert wurde, dem Kreditgeber eine Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers nicht bekannt war und die Kreditgewährung in einem Zeitraum erfolgte, in dem eine Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung ausgesetzt ist.
Eine weitere Liquiditätsverbesserung brachte eine Entschärfung des EKEG. Ein Kredit im Sinne des § 1 EKEG liegt nicht vor, wenn ein unbesicherter Geldkredit im Zeitraum vom 05.04.2020 bis zum 31.01.2021 gewährt und zugezählt wurde.
Soweit diese Tatbestände im zeitlichen Anwendungsbereich verwirklicht worden sind, sind sie nach wie vor zu beachten.
4. Erfüllung eines Sanierungsplans:
Die Zahlungsfrist für einen Sanierungsplan betrug drei Jahre statt zwei Jahre, auch wenn der Schuldner eine juristische Person oder eine natürliche Person ist, die ein Unternehmen betreibt (§141 Abs 1 Satz 1 IO) oder für einen Sanierungsplan mit Eigenverwaltung (§ 169 Abs 1 Zif 1 lit a IO), sofern der Antrag auf Abschluss eines Sanierungsplans bis 31.12.2021 eingebracht wurde.
Seit 01.01.2022 gilt wiederum die normale gesetzliche Erfüllungsfrist von zwei Jahren (bzw von fünf Jahren, wenn der Schuldner eine natürliche Person ist und kein Unternehmen betreibt).
5. Bundesgesetz über die Restrukturierung von Unternehmen und Entschuldung von natürlichen Personen (RIRUG)
Am 17.07.2021 ist das Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (RIRUG) in Kraft getreten (BGBlⅠ147/2021).
Die Restrukturierungsordnung (ReO) bietet den in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Unternehmen die präventive Möglichkeit, im Rahmen eines neu geschaffenen gerichtlichen Restrukturierungsverfahrens einschließlich einer befristeten Vollstreckungssperre eine drohende Insolvenz abzuwenden und durch einen Restrukturierungsplan den Bestand des Unternehmens sicherzustellen.
Die Abstimmung über den Restrukturierungsplan erfolgt in Gläubigerklassen mit Kopfmehrheit und einer Mehrheit von 75 % der Forderungen in einer gerichtlichen Restrukturierungsplantagsatzung, die auf 30 bis 60 Tage nach Vorlage des Plans vom Gericht anzuordnen ist. Auch wenn nicht alle Gläubigerklassen zustimmen, kann der Restrukturierungsplan durch einen klassenübergreifenden Cram-Down gerichtlich bestätigt werden. Die Durchführung des Restrukturierungsverfahrens erfolgt in Eigenverwaltung, zur Unterstützung des Schuldners und der Gläubiger ist die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten vorgesehen.
Aufgrund der durch das RIRUG erfolgten Änderungen der Insolvenzordnung können sich natürliche Personen (Verbraucher ebenso wie Unternehmer) nunmehr innerhalb einer Frist von drei Jahren durch einen Zahlungsplan entschulden.
Das Abschöpfungsverfahren dauert nunmehr ebenfalls drei Jahre, wenn ein Tilgungsplan zugrunde gelegt wird; sonst wie bisher fünf Jahre bei Vorlage eines Abschöpfungsplans. Der kürzere dreijährige Tilgungsplan ist nur bei Erfüllung eines erhöhten Redlichkeitsmaßstabs zulässig.